Pater Nikolai Wolper, der seit letztem Jahr die inhaltlichen Impulse in unserem deutschsprachigen Gesprächskreis setzt, spricht oft vom symbolischen Kosmos der Kirche. Dieser würde sich dem gläubigen Christen vor allem durch das (Ein-)Leben in der Kirche erschließen, und weniger durch das Studium zu Hause im stillen Kämmerlein. Ich als Neuling im kirchlichen Leben, für die noch vieles von diesem Kosmos unbekannt ist, habe das als Verheißung und Aufgabe zugleich aufgenommen. 

Beim Besuch des Gesprächskreises am 08. März 2020 in der Gemeinde von Pater Nikolai, der Russischen Orthodoxen Kirche des heiligen Prokopij, hat er mir durch seine lebendige Präsentation und Erläuterung jenes symbolischen Kosmos, wie er im Kirchenraum des Gebäudes in der Hagenbeckstraße Gestalt angenommen hat, die „orthodoxe Erfahrung“ vermittelt: Die Begegnung zwischen Himmel und Erde, die in der Orthodoxie immer eine personale Erfahrung ist – so habe ich mir das gemerkt. Wie der Zufall es wollte, konnten wir gerade am Festtag der Orthodoxie, an dem an die Wiedereinführung der Bilderverehrung erinnert wird, staunend die Gegenwart des Heils in der Ausmalung des Innenraums und den vielen „Bildikonen“ (im Vergleich etwas zur „Wortikone“ des Evangeliums) an-schauen.

       

In der darauf folgenden Woche, in der ich an einem der drei Intensivkurse der Ikonenmalerei teilgenommen habe, die Fjodor Krasmik in unserer Gemeinde angeboten hat, konnte ich meinen Blick für jenen Kosmos weiter schulen und vertiefen. Beim Ziehen der Linien und Auftragen der Farbschichten konnte ich gleichzeitig den Blick auf mich selbst spüren, der mir von der Holzunterlage aus anfing Stück für Stück durch den Gestalt annehmenden Erzengel Gabriel entgegenzukommen. In der nicht naturalistischen Art, wie die Ikone gestaltet wird, habe ich einen Freiraum für das erlebt, was in der Abwesenheit anwesend ist. Am Ende der Woche haben uns die aktuellen globalen Ereignisse eingeholt und das kirchliche Leben wurde stark eingeschränkt, aber die Ikonen sind jetzt für mich als Fenster zur Ewigkeit und zur liebevollen Gemeinschaft in Christus geblieben – auch zu Hause im stillen Kämmerlein...

Katharina Strauch